Nida – Riga, 520 km. Was für ein Tag…

Die ganze Nacht hatte es geregnet. Morgens lies der Regen nach. Bei dem allmorgend-lichen Ritual, Koffer stopfen, Plünnen verteilen, das ganze am Bike verstauen, stellt sich ja nun langsam Routine ein. Ich weiß, wo was hingehört und ist. Bis auf die Tatsache, dass ich immer noch keine Markierung an den Koffern habe und somit immer nicht weiß, wo jetzt die Klamotten und wo das Küchengeraffel ist. Kann mir eben auch nicht die Seiten merken.

Gegen 9:15 Uhr (nach unserer deutschen Zeit 8:15 !) rollte ich los. Zu der Musik von Michel Telo (E Marla, oder so…). Das machte richtig Stimmung. Diese Straße war aber auch zu schön. Und als dann „Drive“ von den Cars in meinem Helm ertönte, musste ich erst lachen, wegen des absolut passenden Zeitpunkts. Aber dann kam wieder so ein Moment…. Das war es! Mir rollten die Tränen in den Helm. Nicht weil ich traurig war. Nein. Dies war wieder einer jener Momente. Einer dieser Momente, wegen dessen ich solche Touren mache. Das unterwegs sein, dieses genießen des Moments und des ganzen. Egal ob ich auf dem Fahrrad, in den Bergen, mit dem Kanu oder eben mit dem Motorrad unterwegs bin. Das ist es!!! Das ist es, was ich so liebe und brauche.

Video Abschied von der Kurischen Nehrung:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=N0fkmAApw-E[/youtube]

Hier zwei schöne Panoramen vom Kap Kolka (für größere Ansicht Bilder anklicken):

Ich kam dann irgendwann an die Fähre nach Klaipeda. Irgendwann, weil ich mir Zeit gelassen habe. Irgendwie hatte ich es nicht eilig, hier weg zu kommen. Klaipeda selbst war auf der Route, die ich geplant hatte, alles andere als sehenswert. Aber die interessante Altstadt habe ich ja nicht mal gestreift. Kurz vor der lettischen Grenze, in Palangas, tankte ich nochmal, um einige meiner reichlich verbliebenen Litas umzusetzen. Dann fuhr ich auf der „Autobahn“ über die Lettische Grenze. Was sich hier so Autobahn nennt….

Mein Reiseführer empfahl mir von Liepaja nach Ziemupe (was für ein Name) eine kleine „relativ gut zu befahrende“ Straße zu nehmen. Da ich das im Navi nicht geplant hatte, schaltete ich die Führung erst mal ab und orientierte mich an der Übersichtskarte. Bog aber doch zu früh ab und landete auf einem tollen Waldweg, der mich immer wieder an das Wasser der Ostsee führte. Vorerst. Irgendwann ging das Ganze von „interessant“ in „Boah, voll Offroad!“ über. Ich wühlte mich durch Sand und landete, nach einem eher uneleganten Abstieg über vorn-links, im selbigen. Das schwere Motorrad, nebst Gepäck, wieder aufzurichten war harte Arbeit, da meine Füße im Sand kaum Halt fanden. Ich richtete mich nach dem Navi, dass gleich einige Meter weiter eine unbefestigte Straße anzeigte. Das war jedoch ein Trampelpfad. Der führte in eine schmale Rinne auf deren rechter Seite ein Rinnsal floss und auf der linken ein Hang war. Ich steckte fest. Erst mal versuchte ich mit ständigem Vor und Zurück auf kleinstem Raum zu wenden. Aber an der steilen Kante des Rinnsals grub ich mich so mit dem Vorderrad immer mehr ein. Irgendwann merkte ich das mein Kupplungshebel unglaublich viel Spiel hatte. Sch… Kupplung heiß gelaufen. Da hilft nur eins. Ruhig bleiben und abkühlen (lassen). Und raus aus der Situation! Getreu dem Motto: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“, floh ich nach vorn aus der Klemme und erreichte tatsächlich eine Schotterstraße. Da gab es reichlich zerstörte Bunkeranlagen mit russischen Graffities zu sehen. Das interessierte mich im Moment eher gar nicht. Meine Kupplung!!! Die erholte sich aber inzwischen. Und mittlerweile funktioniert alles wieder bestens (hoffe ich!). Nach einigem Gerödel erreichte ich dann doch die „Straße“ nach Ziemupe. Es war mal wieder eine Schotterpiste. Nicht ganz ohne, macht aber, gerade deswegen, Spaß. Weiter nach Ventspils. Da dachte ich noch, dass ich unbedingt tanken muss. In Ventspils drehte ich noch eine Runde durch die Innenstadt. Am meisten erstaunte mich, dass sehr viele Straßen mit einem Belag aus kleinen rechteckigen Steinen gepflastert waren. Ich kam mir die ganze Zeit wie in einer Fußgängerzone vor. Abgesehen davon, fuhr es sich mit den Radialreifen sehr merkwürdig. Ein wenig wie auf Eiern. Und während ich mich noch so wunderte, war ich auch schon aus der Stadt heraus und ein ganzes Stück weiter. Mist! Ich wollte doch tanken. Der Tacho zeigte schon 230 km an und laut Navi wäre die nächste Tanke an der Strecke in über 70 km. Ach was soll’s. Ich habe ja noch zwei Liter Sprit als „Lebensversicherung“ im Gepäck. Also Fahrweise auf Sparmodus umgestellt und weiter. Es ging die Straße zum Kolka Kap entlang. Immer dicht an der Ostsee. Von der war aber kaum etwas zu sehen, da zu beiden Seiten dichter Kiefer- und Birkenwald stand. In Google Street View war ich die Strecke schon „abgefahren“. Da war hier alles noch Schotterpiste. Jetzt ist hier aber, dank EU Fördermitteln, eine perfekte Asphaltpiste auf der man nur so dahingleitet. Bei 254 km dann umschalten auf Reserve. Trotz 2 l Sicherheit war mir doch etwas mulmig (eigentlich Blödsinn, aber manchmal ist man halt so). Am Straßenrand standen immer wieder Autos und im Wald tummelten sich Pilz- und Beerensammler. Am Kap Kolka fuhr ich erst mal auf den kleineren Parkplatz und machte einen Bummel zum Strand. Dann sah ich noch, was auf der anderen Seite des Kreisverkehrs los war. Dort erwarteten mich einige Buden und ein Souvenirshop. Während ich mir noch die Tafel mit der Übersichtskarte ansah, kam ein junger Mann und drückte mir einen bestempelten Zettel in die Hand. Ich guckte erst mal doof. Man hatte einfach schon zu oft versucht mich abzuzocken. Aber er erklärte mir, dies wäre ein Parkschein und ich müsste im Souvenirshop zahlen, bevor ich abfahre. Mein Gesicht muss wohl Bände gesprochen haben. Denn mir wurde schlagartig klar, dass ich keinen einzigen Lati dabei hatte. Ich sagte ihm, dass ich nur in Lita oder Euro zahlen könnte. Er schaute sich nochmal mich und mein Motorrad an und sagte dann „No Problem, for you it’s free. I like you. I like you.“. Hob den Daumen und ging zum Shop zurück. Na, dafür hätte ich doch gern den „I like it“ Button gedrückt. Bin aber nicht bei Fazebock. Ich stellte die Maschine ab und machte noch einen Strandbummel. Diese Seite des Kaps ist wild romantisch. Überall am Strand tote Bäume, die von den Wellen umspült werden. Zu schade, wenn ich das verpasst hätte. Irgendwann wurde es mir aber in der Kombi zu warm und ich machte mich auf den Weiterweg. Ein kurzes Winken, zu dem „I like you“ Mann und los. Da waren sie wieder, meine Tanksorgen. Aber die versprochene Tanke kam immer näher. Und Riga auch. Eigentlich wollte ich ja erst morgen dort sein. Nun dachte ich aber doch darüber nach, gleich dahin zu fahren. Aber erst mal tanken und dann Geld kaufen. In Roja sollte die Tanke in einer Nebenstraße sein. Von wegen. Nix. Nur Acker. Nächste Tanke in 2 km. Hoffentlich! Jetzt ging es nur noch darum, dass ich keine Lust hatte, den Reservekanister rauszukramen. Tanke existierte tatsächlich und kurz danach fand ich auch einen Geldautomaten. Noch schnell nach dem Wechselkurs geschaut. Hossa. 1 Lettischer Lat sind 1,45 €! Jetzt waren es nur noch 155 km bis Riga und das Navi sagte, ich wäre gegen 18:00 Uhr da. Also los. Wäre Quatsch vorher noch irgendwo zu übernachten. Die restliche Strecke hatte ich tatsächlich schnell geschafft. Und dann fuhr ich erst mal zum Riga City Camping im früheren olympischen Dorf. Von wegen, mitten in der City. Tote Ecke und der Zeltplatz sah alles andere als nett aus. Und auf der Seite von der ich heranfuhr war kein Zugang. Das Tor verrammelt. Also kurz entschlossen die Adresse vom Naughty Squirrel Hostel eingegeben und ab in die wirkliche City. Mitten in der Altstadt. Im Hostel wurde ich sowas von nett empfangen. Das ganze gefiel mir auf Anhieb. Und vor dem Hostel stand auch eine Yamaha Midnight Star aus Saarbrücken. Als ich meine Koffer hochholen wollte, winkte mir ein bärtiger Zausel aus der nächsten Bar zu. Es war der Biker aus SB. Wir unterhielten uns. Er hat schon eine nette Tour hinter sich. Italien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Ukraine, Russland, Estland. Seit April auf dem Bock. Mit 58 ist er EU-Rentner und hat die Zeit dafür. Später tranken wir, als einzige Biker in der Bikerbar, noch einige Bier und unterhielten uns. Es wurde Abend und das Rigaer Partypublikum kam heraus. Wirklich tolle Atmosphäre. Einige junge Letten kamen zu uns und es entspann sich ein nettes Gespräch. Einer empfahl mir eine Folk Bar „Ala“ in der Nähe. Tolle Musik und tolle Biere. Das musste ich mir natürlich anschauen. Inzwischen ging im Café Leningrad nebenan ein Punkrockkonzert los. Mir war doch eher der Sinn nach Folk. Die Altstadt bei Nacht ist wirklich schön. Ich fand recht schnell die Bar und dort spielte eine Live Band. Ich muss sagen, lettische Folk-Musik ist wirklich toll. Und das Bier erst mal…. Aber dann hatte ich nach 8 Stunden Ritt auf dem Bike und dem guten Bier doch meine Bettschwere erreicht. Ich schrieb noch etwas an meinem Tagesbericht und fiel wie ein Stein ins Bett. Der Saarbrückener Weltenbummler ist auch in meinem Zimmer (6 Betten, ist halt ein Hostel).

Und morgen (eigentlich ja heute, ich schreibe gerade den Rest nach dem Frühstück) dann endlich ein Stadtbummel. Bin schon neugierig. Habe ja jetzt ’nen ganzen Tag 🙂 .

Und hier der Tourverlauf des heutigen Tages:

01_09_2012

Related Images:

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.