Hardangervidda 2013

Das 4-Seasons/Wintermagazin 2013 überschreibt einen Artikel über die Hardangervidda mit den Worten, dass die volle Ladung Winter gewiss nicht jedermanns Sache sei, dass manche es (aber offensichtlich) weiß mögen. Wer also von Schnee und Kälte gar nicht genug bekommen könne, fände auf der norwegischen Hochebene sein Paradies. Dem können wir uneingeschränkt zustimmen.

Traugott Heinemann-Grüder aus Potsdam und Piet Bruckmann aus Berlin hatten sich Mitte Februar 2013 auf den Weg gemacht, um die Hardangervidda von Geilo nach Haukeliseter mit Schneeschuhen, Zelt und Schlitten zu durchqueren.

Hier die Tagesberichte, aufgeschrieben bei ca. -20 Grad, im Zelt, manchmal war`s auch noch kälter.

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18.02.2013: Kocher um 07:18 Uhr, ich Cappucino aus der Tüte und Ovomaltine-Müsli, das einzige, das ich herunter bekomme. Piet frühstückt Kartoffelpürree. Zelt abgebaut und aufgeschnallt um 10:00 Uhr. Abmarsch von windigem Platz (Camp 4). Ich musste die Nacht nicht noch einmal raus, dafür gab´s vor dem Abmarsch einen feuchten Schiss in den Schnee. Zu sehen war wenig. Wenig ist schon sehr übertrieben. Eigentlich sah man den ganzen Tag gar nichts. Ca. 14:00 Uhr verlieren wir uns im Whiteout. Piet ist weg. Nicht zu sehen, nicht zu hören. Ich ziehe spinnennetzähnliche Spuren um den Platz, an dem ich bin. Irgendwann hat auch Piet festgestellt, dass wir nicht mehr zusammen sind. Nach einer halben Stunde taucht Piet schemenhaft aus dem Nebel auf. Glück gehabt. Ich hatte das Innenzelt mit dem Gestänge auf meinem Schlitten. Piet das Außenzelt ohne Gestänge, dafür aber beide GPS-Geräte, weil das eine am Vormittag den Geist aufgegeben hatte, d. h. es schaltete sich immer wieder von alleine ab. Offensichtlich lag es daran, weil das Gerät die Lithiumbatterien mit 1,2 Volt nicht erkannte, weil Batterien normalerweise mit 1,5 Volt laufen. Der Trick bestand dann darin, im Gerät den Akkubetrieb zu simmulieren, weil Akkus i. d. R. mit 1,2 Volt laufen. Tipp: Lithiumbatterien (nicht mit Lithium-Ionen-Batterien verwechseln) verwenden, auch für andere Geräte wie Stirnlampe, Kamera etc.; die sind weniger kälteempfindlich. Also mit Karte und Kompass und Höhenmesser ist hier bei solchen Wetterbedingungen nichts zu stemmen. Um ca. 16:00 Uhr richten wir Camp 5 ein. Und Piet schaufelt zwischen einem großen Stein und Zelt eine Scheißmulde für den Notfall, damit der Arsch wenigsten nicht ganz so kalt wird, wenn einer nachts doch noch mal raus muss. Die Schlafsäcke sind inzwischen total klamm und feucht. Durch Pumtechnik pumpen wir Luft in die Schlafsäcke. Kurzfristig gibt´s einen prima Loft, aber alles bleibt klamm und feucht. Dafür haben wir noch keine Lösung. (Aber später, nach der Tour). Piet bereitet Spicy Potatoes und ich Kartoffel mit Zwiebel und die obligatorische Brühe vorne weg. Mit der neuen Gascartouche komme ich voran. Piet ist mit dem Primus-Omni-Fuel ohnehin besser aufgestellt als ich mit meinem Ultra-Leichtgewicht-Gaskoche. Zur Feier des Tages spendiert Piet eine Schokolade mit Nüssen. Piet hustet immer noch und dampft beim Zelteintritt wie eine kleine Dampflokomotive. Sternenhimmel gibt´s auch heute nicht, auch keine Meteoriteneinschläge wie im Ural. 20:00 Uhr Nachtschicht.

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Tierwelt sehen wir keine. Keine Eisbären, die gibt es hier ohnehin nicht. Keine Schneefüchse. Keine Wölfe, die gibt es hier auch nicht. Auf dem Flug von Berlin nach Oslo las ich im Bordmagazin einen Artikel über die Wölfe in Skandinavien. Man will die Besiedlung Skandinaviens durch Wölfe auf die Grenzregion zwischen Norwegen und Schweden beschränken. Dann wünsche ich viel Erfolg bei den Ansiedlungsverhandlungen mit den Wölfen. Einmal macht eine Krähe einen Kontrollflug, woher auch immer die kam. Und einmal haben wir Schneehasenspuren gesehen. Karibus soll es im Nationalpark geben, aber wir sehen nicht mal Spuren noch Kötel o. ä.

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Also das Problem mit dem feuchten, klammen Schlafsack ist physikalisch ganz einfach zu verstehen. Man verdampft pro Nacht ca. 300 ml Schweiß. Der Dampf muss ja irgendwo hin und natürlich sucht er sich den Weg nach oben. Doch angesichts des extremen Temperaturunterschieds zwischen Innentemperatur des Schlafsacks und Temperatur an der Außenhülle des Schlafsacks kondensiert und gefriert der Dampf bereits an der Innenseite der Außenhaut des Schlafsacks. Wenn man keine Möglichkeit hat, den Schlafsack zu trocken, dann packt man die Feuchtigkeit morgens schön mit in den Packsack. Am nächsten Tag das gleiche Spiel. Und nach vier, fünf Tagen hat man so ca. 1 bis 1,5 l Feuchtigkeit im Schlafsack und alles wird natürlich total klumpig und wärmt nicht mehr. Das kann natürlich auch gefährlich werden, wenn man dann nachts richtig anfängt zu frieren. Tagsüber ist die Eiseskälte ja nicht ganz so problematisch, weil man durch die Bewegung von innen her warm wird. Es gibt zwei Lösungen zum Problem mit Daunenschlafsäcken: Entweder man steigt in einen so genannten Barrier Liner, der verhindert, dass der Dampf überhaupt erst ins Daunenmaterial vordringt. Dann schläft man irgendwann in seiner eigenen Brühe, aber die Daune bleibt trocken. Ich werde für unsere nächste Tour im Februar 2014 einen zweiten dünnen Polyesterschlafsack über den Daunenschlafsack ziehen, so dass die Kältebrücke nicht schon am Daunenschlafsack entsteht, sondern erst am äußeren Polyesterschlafsack. Eine österreichische Schlafsackherstellerfirma bietet Schlafsäcke mit genau einer solchen zweiten Außenhaut an. Die Außenhaut wird morgens einfach umgedreht und der gefrorene Dampf „abgeschüttelt“. Wie sich das alles mit polartauglichen Polyesterschlafsäcken verhält, weiß ich nicht. Physikalisch passiert natürlich das gleiche; mit der Wärmeleistung von klammen Polyesterschlafsäcken kenne ich mich nicht aus.

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Download der GPS Daten:

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